Heute steht die Gaza Freedom Flottille – man muss leider „logischerweise“ sagen – im Mittelpunkt des Artikels, der sich vorrangig auf Leseempfehlungen bezieht. Der Großteil davon hat mich auf dem gewohnten Weg über die Arbeit von Ellen Rohlfs und die Vermittlertätigkeit des Womblogs erreicht, wofür ich wieder einmal ebenso herzlich wie aufrichtig Dank sagen möchte.
Der aktuelle Stand der Dinge rund um die zweite Gaza Freedom Flottille bestätigt leider jene Skepsis, die auch ich im Zusammenhang mit den Erfolgsaussichten solcher Formen des Protests angemeldet hatte … auch wenn die Probleme diesmal auf andere Weise zustande kommen als bei der letzten Flottille im vergangenen Jahr. Doch ob man das wirklich überraschend nennen und als eine nicht vorhersehbare Komplikation bezeichnen kann, muss ich leider in Frage stellen … möchte es aber, wie es bei mir üblich ist, Ihrer eigenen Einschätzung überlassen, sich einen Reim auf die „bilaterale Zusammenarbeit“ Israels und Griechenlands zu machen.
Abgerundet wird der aktuelle Artikel dann durch einige Übersetzungen von Ellen Rohlfs, die sich mehr mit dem „ganz normalen Irrsinn“ des israelisch-palästinensischen Konfliktalltags befassen, aber wer die Serie meiner Leseempfehlungen aufmerksam verfolgt hat, wird unschwer erkennen, dass auch hier alles irgendwie mit allem verbunden ist. In diesem Sinne wünsche ich zwar keine unterhaltsame, dafür aber eventuell lehrreiche und Verständnis schaffende Lektüre …
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Zum Thema „Gaza Freedom Flottille
Fangen wir mit dem „Wesentlichsten“ an … natürlich findet die Maßnahme der griechischen Administration einhellige Zustimmung bei den relevanten „Demokratie- und Freiheitsverteidigern“ des Globus, wie diese Agenturmeldung belegt: „Nahost-Quartett mahnt Gaza-Flottille“. (Die Quelle stern.de habe ich einfach aufs Geratewohl aus dem Suchergebnis herausgepickt – übernommen und verbreitet wurde sie jedoch vom gesamten Spektrum der Mainstream-Medien – und dabei für so wichtig befunden, dass sie sogar (ohne kritisch-differenzierenden Kommentar!) vom „Greenpeace-Magazin“ aufgegriffen wurde … dazu kein weiterer Kommentar, aber meine Meinung über diese und ähnliche „Umweltschutzorganisationen“ dürfte regelmäßigen Lesern dieses Blogs hinlänglich bekannt sein!)
Interessant ist vor allem eine Passage der Meldung, die ich hier unbedingt zitieren möchte:
Das Quartett rufe alle Regierungen auf, mit ihrem Einfluss weitere Aktionen zu verhindern. Andernfalls werde das Leben der Beteiligten riskiert.
Zitat Ende. – Meiner Ansicht nach ist dieser „Appell“ mehr als nur vielsagend und belegt auch die kursierenden Gerüchte, dass die israelische Führung im Vorfeld der Aktion auch in dieser Hinsicht (genau wie im Zusammenhang mit der UN-Generalversammlung im September) ihren vor allem in der westlichen Welt prominent positionierten Einfluss massiv geltend gemacht hat. Das Druckmittel scheint dabei – wenn man den Wortlaut des oben angeführten Zitats folgt, die unmissverständliche Androhung gewesen zu sein, dass die Flottille auch diesmal keinen Deut anders behandelt werden würde als beim letzten Mal! Nun, ich würde mal sagen, das sagt nun wirklich alles über die Qualität und „Stoßrichtung“ der israelischen (zionistischen) Politik aus … und diese Politik wird von den „mahnenden Ratgebern“ bekanntlich schon seit Jahrzehnten bedenkenlos gedeckt.
Diese – meine persönliche – Meinung teilt Henning Mankell offenkundig nicht, wie seine Ausführungen in der jungen Welt von gestern (Quelle ein Interview mit stern.de) vermitteln. Er vermutet zwar … Originalton …, dass die derzeit von Griechenland praktizierte Behinderung der Gaza Freedom Flottille als „Outsourcing einer illegalen Blockade“ bezeichnet werden müsse, meint aber, dass es bei der etwaigen Fortsetzung der Aktion nicht erneut zu Ereignissen wie beim letzten Mal kommen würde. Nun gut, vielleicht liegt das ja ebenfalls in der Tatsache begründet, dass die meisten Kritiker/innen der israelischen Besatzungs- (Expansions-) Politik immer noch nicht einsehen wollen, dass es dafür weit tiefer in den Mystizismus der zionistischen Lesart des Judentums hinein reichende Gründe gibt? Ich teile diesen Optimismus aus gewachsener Überzeugung nicht und traue den „Verteidigern Israels“ grundsätzlich alles zu – auch solche Handlungsweisen, die dem gesunden Menschenverstand zufolge nur als (nicht nur politisch) selbstmörderisch bezeichnet werden können. Aber so ganz überzeugt scheint Herr Mankell selbst auch nicht zu sein, wie der vorletzte Absatz des oben verlinkten junge Welt-Beitrags offenbart …
Nachdem PM Netanyahu am vergangenen Donnerstag aus völlig anderem Anlass eine Rede vor dem israelischen Parlament gehalten und im Zuge dieser „die internationalen Staatsführer“ für ihre Unterstützung beim „Widerstand gegen die Flottille der Provokation“ gelobt und „seinen Freund Giorgios Papandreou“ besonders hervorgehoben hatte, dürfte hinsichtlich der Hintergründe des griechischen Vorgehens (nicht nur, aber gerade in Bezug auf die Flottille) kaum noch Diskussionsbedarf bestehen. Dass in diesem Zusammenhang die immer gleichen Propagandalügen aufgetischt und die Schuld an allem einseitig den Palästinensern (der Hamas) angelastet wurden, wird den aufmerksamen Beobachter dieser blutigen und menschenverachtenden Groteske kaum mehr überraschen können.
Nun gut, solche Fakten werden von den gleichgeschalteten Hofberichterstattern (und diese dienen, um es mal ganz deutlich zu machen, keinesfalls irgendeinem „nationalen Hof“!) natürlich nicht weitergeleitet und entsprechend desinformiert ist die Masse, von der immer noch eine erschreckende Mehrheit entweder schweigend zuschaut oder die Machenschaften der „westlichen Wertegemeinschaft“ sogar gutheißt und unterstützt. Man kann es also in aller Kürze auf den Punkt bringen und schreiben … im Westen nichts Neues.
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Doch wenden wir uns nun der Sichtweise der mehr oder minder direkt an der Gaza Freedom Flottille beteiligten Menschen zu. Diese werde ich nicht ausführlich kommentieren, sondern bitte sie vielmehr, die verlinkten und somit empfohlenen Beiträge direkt selbst zu lesen.
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Pressemitteilung von „Jüdische Stimme für einen gerechten Frieden in Nahost e.V.“ (EJJP – KOPI) vom 02.07.11 zur Blockade der Gaza Freedom Flottille 2 durch Griechenland … http://www.juedische-stimme.de/?p=410
Sonderbericht der jungen Welt (Peter Wolter aus Agios Nikolaos) … Jeden Tag neue Armutszeugnisse … http://www.jungewelt.de/blogs/freegaza/index.php?id=820
Berichte über die Verhaftung des Kapitäns der „Audacity of Hope“ (USA) … Suchanfrage ~ wählen Sie selbst aus, von welchem Mainstream-Medium sie qua israelischer Propaganda desinformiert werden wollen! – Oder lesen Sie hier nach, wie es (wahrscheinlich) wirklich abgelaufen ist.
Ständig aktualisierte Dokumentationen über die Gaza Freedom Flottille 2 – 2011 z. B. bei junge Welt und Palästina-Portal
Parallel zu der Schiffsblockade in Griechenland läuft auch die israelische Propaganda wieder auf höchsten Touren … so zum Beispiel die Meldung „anonymer Stellen israelischer Sicherheitsdienste“, der zufolge die Teilnehmer der Gaza-Flottille gewaltbereiter als das letzte Mal sein und sogar Chemikalien geladen haben sollen, mit denen sie gegebenenfalls die Spezialeinheiten der israelischen Marine attackieren wollen! Im Gegensatz zu den bundesdeutschen Medien, hatte dieser Propagandadreh in Israel lediglich kurz angehalten, wie bspw. der Transatlantikblog zu berichten weiß.
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Zum Abschluss dieses Themas noch eine Leseempfehlung für einen von Ellen Rohlfs übersetzten Artikel:
Gideon Levy [Haaretz] … Israel ist eine Gesellschaft der Gewalt und Brutalität geworden (30.06.11)
Zitat:
Hören wir uns selbst an? Sind wir uns bewusst, dass schreckliche Geräusche von uns ausgehen? Haben wir bemerkt, dass der Diskurs immer gewalttätiger wird, und wie die Sprache der Gewalt dabei ist, unsere einzige offizielle Sprache zu werden?
Eine Gruppe internationaler Aktivisten ist dabei, mit einer Flotilla an die Küste des Gazastreifens zu segeln. Viele von ihnen sind Sozialarbeiter und Kämpfer für Frieden und Gerechtigkeit, Veteranen im Kampf gegen die Apartheid, Kolonialismus, Imperialismus, gegen sinnlose Kriege und Ungerechtigkeit. Allein dies festzustellen, ist hier schwierig, da sie schon alle als Schlägertypen beschrieben wurden […]
Zitat Ende.
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Nun noch vier weitere Übersetzungen und je eine englischsprachige Leseempfehlung zum generellen Themenschwerpunkt und zur Gaza Freedom Flotilla:
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Adam Keller [Crazy Country] … Was Hitler nicht tun konnte (28.06.11)
Zitat:
„Was Hitler nicht gelang, geht heute weiter in der Diaspora,“ stellte Yaacov Ne’eman, Justizminister von Israel, fest. Vom Podium der Präsidentenkonferenz in Jerusalem, die auf Initiative von Israels Ministerpräsident zusammengerufen wurde, griff Ne’eman die Diasporajuden scharf an, von denen prominente Vertreter in der Halle anwesend waren, und wiederholte, dass Mischehen zwischen Juden und Nichtjuden die Verwirklichung von Hitlers Ziel war. Das Problem in der Diaspora ist nicht die Konversion, sondern die Assimilation. Stellen wir uns der Wahrheit: was der verfluchte Hitler nicht fertig brachte, geschieht heute in der Diaspora, wo heute eine schreckliche Assimilation vonstattengeht.
Mischehen als die Realisierung von Hitlers Traum? […]
Zitat Ende.
Kommentar: Na, das nenne ich jetzt aber mal wirklich einen gelungenen Hitler-Vergleich, der – egal wie man zur Geschichte des Dritten Reiches und dessen unbestreitbaren Kooperation mit Teilen der zionistischen Bewegung auch immer stehen mag! – sehr deutlich macht, wie zionistische Logik aussieht und wie sie immer wieder in der propagandistische Argumentation der Zionisten durchscheint. Kleiner Tipp am Rande … das stellt nicht nur heute und im Nahostkonflikt eine bewährte Strategie dar, sondern wurde buchstäblich zu allen Zeiten und immer zum gleichen Zweck bemüht!
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Zusätzlich möchte ich Ihnen einen englischen Artikel vom gleichen Autor und vom gestrigen Samstag ans Herz legen … leider sehe ich mich derzeit außerstande, selbst eine Übersetzung zu liefern. Wer des Englischen selbst nicht ausreichend mächtig ist, aber jemanden kennt, der ihm den Artikel wenigstens grob übersetzen kann, sollte diese Möglichkeit unbedingt nutzen … Der Artikel gehört zur Rubrik des heutigen Schwerpunkthemas und fasst die Fakten und Informationen exzellent zusammen … Pyrrhus in Piraeus
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Uri Avnery … Die jüdischen Ayatollas (02.07.11)
Zitat:
Der Erzbischof von New York verkündet, dass jeder Katholik, der eine Wohnung an einen Juden vermietet, eine tödliche Sünde begeht und die Exkommunikation riskiert.
Ein protestantischer Pastor in Berlin erklärt, dass ein Christ, der einen Juden anstellt, aus seiner Gemeinde verbannt wird.
Unmöglich? Tatsächlich. Außer in Israel – natürlich umgekehrt.
Der Rabbiner von Safed, ein Regierungsangestellter, hat angeordnet, es sei streng verboten, Wohnungen an Araber zu vermieten – einschließlich an arabische Studenten, deren medizinische Fachschule im Ort liegt. Zwanzig andere Stadtrabbiner – deren Gehalt von (meistens säkularen) Steuerzahlern, einschließlich der arabischen Bürger, bezahlt werden, haben öffentlich diese Anordnung unterstützt.
Eine Gruppe israelischer Intellektueller reichte eine Klage beim Staatsanwalt ein, mit der sie behaupten, dass dies ein Fall krimineller Hetze sei. Der Staatsanwalt hat versprochen, die Sache mit gebührender Eile zu untersuchen. Das war vor einem halben Jahr. Die gebührende Eile hat noch nicht zu einer Entscheidung geführt.
Dasselbe gilt für eine andere Gruppe von Rabbinern, die die Anstellung von Goyim verbietet […]
Zitat Ende.
Kommentar: Im Grunde genommen erübrigt sich das, da der Artikel wieder einmal einen tieferen Einblick in die „heile Welt“ des in etliche Lager aufgespaltenen Judentums, insbesondere natürlich in Israel liefert, wie ihn nur ein mit diesen Lehren und Gesetzen aufgewachsener sowie auf die eine oder andere Weise zeitlebens konfrontierter Mensch zu geben vermag. Dennoch möchte ich hinzufügen, dass man den Beitrag unbedingt lesen und mit dem von israelischer Seite vermittelten Gesamtbild von der Lage im Nahen Osten vergleichen sollte … wenn man dabei alle aufgezwungenen oder freiwillig angenommenen Scheuklappen ablegt, sollte man danach (und natürlich auch im Zusammenhang mit den übrigen Leseempfehlungen) in jedem Fall ein Stückweit besser verstehen, dass dieses Bild nicht der Realität entspricht … ja, ihr schlichtweg nicht entsprechen kann!
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Sefi Rachlevsky [Haaretz, englisch] … A racist, messianic rabbi is the ruler of Israel (Ein rassistischer, messianischer Rabbi ist der Herrscher von Israel)
Englischer Artikel, der ebenfalls vom Rabbi Dov Lior handelt, welcher in Uri Avnerys Artikel auch die Hauptrolle spielt … Empfehlung von Ellen Rohlfs
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Nora Barrows-Friedman [Electronic Intifada] … Israels Zerstörung von palästinensischem Eigentum im Jordantal trifft vor allem die Frauen (24.06.11)
Zitat:
Das israelische Militär (IDF) hat während der letzten zwei Wochen im Jordantal in den besetzten Gebieten 27 Häuser zerstört. Mehr als 140 Palästinenser sind durch die Zerstörungen obdachlos geworden, während die Ausdehnung israelischer Siedlungen weiter wächst und den Wasserzugang einschränkt – und so die Lebensfähigkeit palästinensischer Dörfer in diesem Gebiet stark beeinträchtigt.
Nach der Jordantal-Solidaritäts-Kampagne (JVS), einer Organisation, die mit den lokalen Gemeinden arbeitet, überfielen am 21.6. israelisches Militär, Polizeijeeps und zwei Bulldozer die Beduinengemeinde von al-Hadidya. Die Bulldozer „demolierten sieben Wohnzelte, 18 Tierschuppen und vier Küchen und ließen 32 Menschen obdachlos,“ berichtet die Gruppe […]
Zitat Ende.
Kommentar: Sorry, aber muss man das wirklich noch kommentieren? Die Fakten bezüglich der widerrechtlichen Expansion der „jüdischen“ Siedlungen im Westjordanland liegen ebenso lange auf dem Tisch, wie die untrennbar damit verknüpften Tatbestände des Land- und Wasserraubs zulasten der palästinensischen Bevölkerung … so langsam sollte sich der Realitätssinn wirklich gegen die auf „Geheiß von oben“ zur gängigen Praxis aufgestiegene eingeschränkte und zudem höchst einseitige Wahrnehmung durchsetzen … doch das wird so lange nur ein frommer Wunsch bleiben, wie man nicht gleichzeitig bereit ist, die wahren Ursachen für diesen organisierten, und gegen all die immer wieder anklagend ins Feld geführten „internationalen Rechtsnormen“ verstoßenden Wahnsinn zur Kenntnis zu nehmen! – Besonders gravierend kommt bei diesem Bericht hinzu, dass er hervorhebt, dass es vor allem die Frauen in den betroffenen Gebieten sind, die unter dieser Situation extrem zu leiden haben … da fragt man sich als erklärter und überzeugter Ismus-Kritiker natürlich zwangsläufig, wo in diesem Fall all die vielen „Frauenrechtler/innen“ bleiben, die sich bei frauenfeindlichen Auswüchsen des Islams doch immer so gerne an vorderster Front der vehement Protestierenden einreihen? – Könnte es sein, das auch vorgeblich linke, emanzipationsgläubige „Westler/innen“ (Ableitung von der westlichen Wertegemeinschaft) nicht ganz frei von Doppelmoral und rassistischem Gedankengut sind?
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