Zusätzlich zur speziellen Veröffentlichung bezüglich der Diffamierung von und „Jagd“ auf Walter Herrmann und sein Projekt „Kölner Klagemauer“ möchte ich auch diese Woche nicht ausklingen lassen, ohne eine weitere Folge meiner Leseempfehlungen – verbunden mit dem angebrachten und sehr gerne abgestatteten Dank an Ellen Rohlfs und unseren Freund und Boten Lopez vom Womblog – nachzureichen.
Heute beinhaltet sie einen Artikel von Uri Avnery, zwei Beiträge von Amira Hass, die Übersetzung eines Jerusalem Post-Artikels von Gil Shefler sowie zwei schriftliche Stellungnahmen von Pax Christi International im Rahmen der 5. Session des UN-Menschenrechtsrats.
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Uri Avnery … Hochmut kommt vor dem Fall (18.09.10)
Zitat:
[…]Seit dem erinnern wir uns an Yom Kippur an diesen schicksalhaften Tag. Es ist unmöglich, nicht daran zu denken. Es war ein Wendepunkt in unserm Leben und in der Geschichte Israels, ein prägendes Ereignis für den ganzen semitischen Raum.
Heute, wie seitdem an jedem Yom Kippur, regt die Stille auf den Straßen an, daran zu denken. Als Zeuge habe ich das Bedürfnis, darüber Zeugnis abzulegen,
Wie hat sich der Krieg auf uns ausgewirkt?
Das erste, was über ihn gesagt werden muss, ist, dass es ein überflüssiger Krieg war. […]
[…]Diese Schlussfolgerungen sind heute genau so richtig wie damals: Hybris führt in die Katastrophe.
Ein Konzept, das sich auf Verachtung der Araber gründet, wird zu einer historischen Unterlassung führen. ~ Jeder Krieg in unserer Region ist überflüssig; nach jedem Krieg werden wir – im besten Fall – erreichen, was wir auch vor dem Krieg hätten bekommen können. ~ Es gibt keine militärische Lösung, nicht für die Araber – nicht für uns. ~ Es gibt viele Helden im Krieg – doch der wirkliche Ruhm kommt den Helden des Friedens zu.
Jüdische Weise sagten vor fast 1000 Jahren: „Wer ist ein Held? Derjenige, der seinen Feind zu seinem Freunde macht.“
Zitat Ende.
Kommentar: Ein sehr guter und wichtiger Artikel, dem ich fast uneingeschränkt zustimmen kann. Der Punkt, an dem ich Herrn Avnery leider widersprechen muss, ist jener, bei dem er den „Krieg von 1948“ aus der Reihe jener Konflikte herausnehmen zu müssen glaubt, die man als unberechtigt und/oder überflüssig bezeichnen muss. Nun mag und kann er das als Mensch, der persönlich und direkt involviert war, natürlich so darstellen, während ich nur aus dem Bauch heraus sowie mit Blick auf die gut 50-jährige Vorgeschichte einen anderen Standpunkt einnehme, aber man sollte diese Aussage gerade wegen dieser durch nichts und von niemandem zu verleugnenden Entwicklung des Konflikts wenigstens hinterfragen (dürfen). – Ansonsten wird – ebenfalls meiner Ansicht nach – alles andere aber treffend und korrekt dargestellt.
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Amira Hass [Haaretz] … Wo ist die Scheinheiligkeit hingegangen? (15.09.10)
Zitat:
In den späten 70ern oder den frühen 80er Jahren sprach Prof. Asa Kasher bei einer Konferenz über den Unterschied von Labor-Regierungen und Likud-Regierungen. Die Labor-Regierungen wären scheinheilig; und da gäbe es etwas Positives über Scheinheiligkeit, sagte Kasher. Der Scheinheilige wüsste wenigstens, dass es ein verpflichtendes Wertesystem gebe, und dass er nicht danach handle. Eine Folge davon sei, er verberge seine Handlungen.
Nach Kashers Kommentaren verstand man, dass die Labor-Regierungen wussten, dass die Herrschaft über ein anderes Volk gegen dessen Willen, unzulässig ist. Der Likud, so sagte Kasher zu jener Zeit – wenn man das sich nach 30 Jahren noch erinnern kann, hat sich überhaupt nicht an solche Werte gebunden gefühlt. Das Unzulässige wurde legitim […]
Zitat Ende.
Kommentar: In diesem Artikel wird der Begriff „Scheinheiligkeit“ sowohl mit Blick auf die Entwicklung der israelischen „Parteipolitik“ als auch auf den gesamten Konflikt, einschließlich dem selbstverständlich überwiegenden „westlichen Wertekonsens“ ebenso gut wie entlarvend auseinandergenommen. Und am Ende auf den Punkt gebracht!
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Amira Hass [Haaretz] … Jerusalem oder Gaza – wo ist es schlimmer für einen Palästinenser? (13.09.10)
Zitat:
(Dies schließt das Abgeschnittensein von Wasserquellen und von Kulturellem, Sozialem und von Familienbanden jener Bewohner ein, die noch Verbindungen mit ihrem Volk haben.) Oder den Zynismus, mit dem die Entscheidungsträger fortfahren, die Bevölkerung von Ost-Jerusalem zu Sozialempfängern und Slumbewohnern zu machen und dann stolz darauf zu sein scheinen, ihnen Sozialhilfe zu gewähren.
Ein Besuch im Vorort von Isawiyah entschied das Problem. Haufen von Zement, nicht eingesammelter Müll, Straßen die immer enger werden, weil an die Gebäude angebaut wird – die Bewohner werden dazu gezwungen, da sie keine Baugenehmigungen erhalten, und unbebaute Grundstücke enteignet werden. All dies liegt in Sichtweite des Campus der Hebräischen Universität und des French Hill, die so grün sind, reichlich Platz haben und so zivilisiert aussehen.
Zitat Ende.
Kommentar: Hier wird vorrangig am Beispiel Ost-Jerusalems deutlich hervorgehoben, dass es für Palästinenser mittlerweile „fast einerlei“ ist, ob sie in Gaza, den (widerrechtlich) besetzten Gebieten oder im Ostteil Jerusalems leben, da sie überall von derselben Politik und „Siedlermentalität“ heimgesucht und wie Menschen dritter Klasse behandelt werden. Auch dieser Artikel – wie so viele andere, die wir bereits empfohlen haben – zeigt sehr anschaulich auf, was es mit der „einzigen Demokratie im Nahen Osten“ auf sich hat. In etwa dasselbe wie mit der „westlichen Demokratie“ unserer oder der US-amerikanischen Pseudo-Republik (die Liste mag jeder nach Belieben fortführen!)
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Gil Shefler [Jerusalem Post] Kontroversen über den Ort des Toleranzmuseums (16.09.10)
Zitat:
Die Geschichte des vom Simon-Wiesenthal-Zentrum geplanten Ortes des Museums der Toleranz in Jerusalem auf dem Teil eines alten muslimischen Friedhofes mag bald in eine neue Phase gehen. Der Gründer des Wiesenthal-Zentrums Rabbi Marvin Hier sagte am Montag, dass er ein Team von Experten vorbereite, um die palästinensischen Behauptungen bei einer bevorstehenden Debatte beim UN-Menschenrechtsrat zu widerlegen. Diese würde im Oktober stattfinden und sie würde den Bau des Museums für illegal erklären.
„Dass man uns vor den berüchtigten UN Menschenrechtsrat bringt, ist eine besondere Auszeichnung für das Toleranzmuseum,“ sagte er. „Als ob der Rat nichts anderes zu tun hätte, prügelt er auf Israel und die Juden ein.“ […]
(Frage der Übersetzerin: Man stelle sich nur vor, Palästinenser würden den großen jüdischen Friedhof am Hang des Ölbergs von den jüd. Gräbern frei machen, um dort eine Gedenkstätte der Nakba zu bauen – was ginge dann für eine Empörung durch die ganze Welt – aber hier sind es ja nur arabische Gräber …. )
Zitat Ende.
Kommentar: Keiner, stattdessen schließe ich mich der Frage und Meinungsäußerung von Frau Rohlfs an!
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Außer der Reihe:
Erklärungen Pax Christi International
Schriftliche Stellungnahmen zur 15. Session des UN-Rates für Menschrechte – 13. September bis 1. Oktober 2010 – Agenda Nr. 3
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