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Leseempfehlungen zum Themenschwerpunkt Israel/Palästina

Wie immer vorab unser kollegialer Dank an Lopez vom Womblog, der uns die Übersetzungen und Empfehlungen von Frau Rohlfs zugesandt hat.

Wir veröffentlichen diese Zusammenstellung an Stimmen zusätzlich zu unserer Solo-Übernahme des aktuellen Artikels von Uri Avnery und setzen damit die „lange Tradition“ des Blogs unverändert überzeugt fort.

Besonders aufmerksam machen möchten wir unsere Leser/innen auf den Bericht von Norman Paech über seine Eindrücke vom Überfall der israelischen Marine auf die Free Gaza-Flottille und auf eine Rede von Prof. Dr. Ernst Tugendhat anlässlich der Eröffnung der „Nakba“ – Ausstellung in Tübingen. Sie werden im Anschluss an die Übersetzungen von Ellen Rohlfs am Ende der Leseempfehlungen zur Verfügung gestellt.

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Henry Siegman [Haaretz] … Israels größter Verlust: seine moralische Vorstellungskraft

Zitat:

Wenn ein Volk, das vor noch nicht langer Zeit solch unaussprechliche Unmenschlichkeiten erfahren hat,  die Ungerechtigkeit und das Leiden nicht verstehen kann, die seine territorialen Ambitionen verursachen, wie viel Hoffnung bleibt uns dann noch?

[…]

Nach Israels blutigem Überfall auf die Gaza -Flotilla rief ich einen Freund in Israel an, mit dem ich schon ein Leben lang befreundet bin und fragte ihn nach der Stimmung im Lande. Er ist ein Intellektueller, ein freundlicher und großzügiger Mann, stand aber trotzdem lange auf Seiten der israelischen Hardliner. Doch auf seine Antwort war ich völlig unvorbereitet. Er sagte mir – mit vor Erregung zitternder Stimme – so wie die Welt jetzt Israel verurteilt, erinnert ihn das an die dunklen Zeiten der Hitler-Ära […]

Zitat Ende.

Kommentar: Hitler- oder NS-Vergleiche im Zusammenhang mit der israelischen politischen oder militärischen Führung mögen zwar ungewöhnlich (oder besser: selten zu finden) sein, aber in der Form, wie sie der Autor einsetzt, sollten sie nicht nur als legitim, sondern auch der Faktenklärung dienlich sein. [Beachten Sie dazu auch die Rede von Prof. Dr. Tugendhat am Ende dieses Artikels!] – In jedem Fall muss man die Fragen, die auch in diesem Artikel (wie zuvor schon im Artikel von Uri Avnery) zwischen den Zeilen stehend auszumachen sind, sollte jeder objektiv und realitätsbezogen an das Theme „Nahostkonflikt“ herangehende Mensch sich selbst stellen und beantworten.

*****

Ronen Shamir [Today‘s Zalman] … Mit anderer Stimme: ein Brief aus Israel

Zitat:

an den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu

Mit großer Sorge und Traurigkeit beobachte ich die schlechter werdenden Beziehungen zwischen der Türkei und Israel.

Der Angriff der israelischen Armee auf das Schiff Mavi Marmara am 31. Mai deckt einen gefährlichen Verrat an Israels Wohl durch seine eigenen politischen Regenten und das militärische Establishment auf. Die Türkei mit ihrer einzigartigen Geographie und Geschichte könnte eine äußerst wichtige Brücke zwischen Israel und der arabischen Welt gewesen sein. Und es war genau in dem Moment, als die Türkei bereit gewesen wäre, solch eine historische Rolle zu spielen, als das israelische Regime die Brücke abbrannte […]

Zitat Ende.

Kommentar: Ein ebenso mutiger und in unmissverständlich klare Sprache gefasster, wie letztlich auch Mut machender Brief an den israelischen Premierminister. Er unterstreicht, was schon in anderen Artikeln und Berichten erkennbar wurde … die Mehrheit der israelischen Bevölkerung mag zwar die Wahrheit nicht erkennen und deshalb wider alle Logik zu den Taten ihrer Regierung und des Militärs stehen, aber die Zahl derer, die anders denken und dies auch öffentlich kundzutun bereit sind, nimmt – wie in der gesamten Welt ebenso zu beobachten – kontinuierlich zu. Das sehen wir so, auch wenn wir keinen Hehl daraus machen wollen, dass uns in Bezug auf die Türkei und die Rolle, die sie seit dem Überfall auf die Free Gaza Flottille verstärkt zu spielen beginnt, durchaus auch schon mal unangenehme Gefühle überkommen. Allerdings liegt es nur an der Weltöffentlichkeit – also auch an uns allen, zu verhindern, dass sich eine andere Machtkonzentration mit ähnlich kriegerischen und zerstörerischem Potential bilden kann!

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Avrima Golan [Haaretz] … In einem Nebenraum des Flughafens

Zitat:

Hier ist eine Geschichte, die nur wenige Bürger Israels kennen. Vor ein paar Wochen packte der 43 jährige Dozent für Soziologie an der Hebräischen Universität in Jerusalem seinen Koffer. Er ist Mitglied der akademischen Prestigezeitschrift „Soziologie“. Er fuhr zum Ben- Gurion-Flughafen. Er wollte zum  jährlichen Treffen der Herausgeber dieser Zeitschrift nach London. Er hatte sich in die Reihe zum Abfertigen gestellt. Er zeigte seinen Pass und seinen Flugschein und wurde sofort in eine andere Reihe dirigiert.

Der Dozent, dessen Name Nabil Khattab ist und der in Beit Safafa lebt, war darüber nicht überrascht. Er sagt, er akzeptiere mit Verständnis die langen Sicherheitskontrollen, einschließlich des Öffnens des Koffers und das Durchwühlen seiner Sachen und im Laptop. Er akzeptiere sogar die ausführliche Ausfragerei (Wohin er gehe, mit wem er sich treffe, wo ist die Einladung, wer der Einladende? Namen von Personen, sind auch Vertreter von feindlichen Ländern dabei und wer?)  obwohl  ihm die Verbindung zwischen diesem und der Sicherheit des Fluges nicht klar ist […]

Zitat Ende.

Kommentar: Was auf den ersten Blick wie eine „ganz normale Schikane“ anmutet, die palästinensische Bürger/innen Israels tagtäglich erdulden müssen (erst recht wenn sie zu jenen gehören, die das Land verlassen dürfen und im Ausland Kontakt mit „feindseligen Terroristen“ aufnehmen könnten), muss man auch von der politischen und gesellschaftlichen Seite betrachten. In beiden Fällen schlägt den Palästinensern eine „natürliche Feindseligkeit“ entgegen, deren Wurzel tief in der Geschichte des „Staates Israel“ vergraben liegt. Mehrere jener Artikel, die wir heute empfehlen (inklusive des komplett veröffentlichten Beitrags von Uri Avnery), ergeben zusammengenommen ein Bild, das man sehen und beachten muss, wenn man sich als „Außenstehender“ (nicht nur deutscher Herkunft) mit dem Nahostkonflikt im Allgemeinen und dem israelisch-palästinensischen Konflikt im Besonderen beschäftigt. Auch in diesem Zusammenhang muss und soll nochmals auf die Rede des emeritierten Soziologieprofessors E. Tugendhat (Jude) anlässlich der „Nakba“-Ausstellung hingewiesen werden, welche als ein ebenso zentrales wie elementares Detail dieser Geschichte beleuchtet!

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Free Gaza Team London Passagiere der Flotilla an die israelische Regierung

Zitat:

Die Passagiere der Flotilla aus 12 Ländern (Liste unten*) drängen ihre Regierungen dahin, von Israel zu fordern, allen am 31. Mai illegal in internationalen Gewässern abgenommenen Besitz der Passagiere zurückzugeben – besonders die vielen Kameras, Camcorders, Handys etc, die Beweise enthalten wenigstens über den Anfang der Schießerei auf Zivilisten durch israelische Soldaten. (Diese Forderung betrifft nur den persönlichen Besitz und ist unabhängig von den vielen rechtlichen Aufträgen, die den Tod und das Verletzen der Passagiere betrifft.) […]

Zitat Ende.

Kommentar: In diesem Schreiben, das nicht nur eine Forderung an die israelische Regierung formuliert, sondern auch an die Regierungen aller Staaten, aus denen sich die Friedensaktivisten der Flottille zusammensetzten, gerichtet ist, wird die umfassend legitime Aufforderung an Israel artikuliert, allen widerrechtlich konfiszierte Privatbesitz unbeschädigt herauszugeben. Diese Forderung muss man vollinhaltlich unterstützen, da weder die „offizielle Untersuchung der rechtlichen Seite“ der militärischen Intervention durch eine von Israel eingesetzte Kommission, noch die Untersuchung des Vorfalls selbst, der bekanntlich dem „ausführenden Organ“ (ohne internationale Beteiligung/Kontrolle) übertragen wurde, als objektive Beurteilung akzeptiert werden kann. Solange Israel die konfiszierten Beweise für das augenscheinliche Gegenteil seiner offiziellen Propaganda kontrolliert, ist eine umfassende und wahrheitsgemäße Klärung des Vorfalls nicht denkbar. Das mag nun sicherlich im Interesse Israels und seiner Unterstützer/Verteidiger liegen, aber ganz bestimmt nicht im Interesse der Weltöffentlichkeit – und der Wahrheit!

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Ergänzend zu den obenstehenden Übersetzungen von Ellen Rohlfs (die englischen Originalartikel finden Sie – wie immer – unter den in eckige Klammern gesetzten Links) veröffentlichen wir nachfolgend noch zwei weitere Leseempfehlungen, die uns in deutscher Sprache zugegangen sind.

Norman Paech [junge Welt] … Angriff auf Völkerrecht (mit erläuterndem Vorwort)

Zitat (nur das Vorwort):

Liebe Freundinnen und Freunde,

wenn ihr die Zeitungen jetzt aufschlagt, werdet ihr jetzt kaum mehr eine positive Zeile über uns und unser Gaza-Projekt finden. Die Anzahl der Schmähmails steigt und die Seiten der Tages- und meisten Wochenzeitungen sind uns ohnehin verschlossen. Deshalb noch einmal von mir ein vorläufiges Resümee, welches gestern in der „jungen Welt“ erschienen ist. Und noch einmal die Versicherung, dass ein Lockerung der Blockade, wie es jetzt die Sprachregelung unserer Regierung zu sein scheint, nichts nützt, wir also bis zur vollständigen Aufhebung weitermachen werden.

Herzliche Grüße Norman

Zitat Ende.

Kommentar: Zunächst einmal sollte festgehalten werden, dass das zitierte Vorwort die mediale Realität und auch die Wirklichkeit der „diffamierenden Pro-Israel-Lobby“ (nicht nur, aber gerade) in unserem Land zweifelsohne korrekt beschreibt und insofern auch zu Recht kritisiert. – Darüber hinaus liefert der Artikel profunde Einblicke ins internationale Recht und deckt damit eindeutig auf, dass es im Grunde genommen nichts gibt, womit Israel seinen Übergriff gegen die Free Gaza Flottille plausibel und eben im Einklang mit (auch für den zionistischen Staat) geltenden Recht zu rechtfertigen vermag. Dass es Israel dennoch möglich ist, mit der geballten Macht der in seinem Sinne agierenden Medien und Organisationen eine Propaganda aufzuziehen, die das Gegenteil von Wahrheit zum einzig bestehenden Maßstab für eine umfassende Beurteilung der Angelegenheit zu erheben versucht, spricht eine mehr als unzweideutige Sprache hinsichtlich des Zustands unserer „Weltgemeinschaft“. Es ist dringend zu empfehlen, diesen Bericht vollständig zu lesen … auch und gerade für solche Mitmenschen, die sich auf die Seite Israels schlagen, weil sie „zu den Siegern“ der Informationsschlacht gehören wollen, ansonsten aber kaum eine eigene Meinung ihr Eigen nennen!

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Prof. Dr. Ernst TugendhatRede zur Eröffnung am 13.06.10

Prof. Dr. Ernst Tugendhat, emeritierter Professor für Philosophie an der FU Berlin, Schirmherr der Nakba-Ausstellung im evangelischen Gemeindehaus „Lamm“ am Markt in Tübingen vom 13.- 26.6.2010

Zitat:

Ich habe die Schirmherrschaft über diese Ausstellung über das Schicksal der palästinensischen Flüchtlinge gerne übernommen. Erstens weil diese Ausstellung nach meiner Meinung vorzüglich zusammengestellt ist und ein wichtiges aufklärerisches Potential hat und zweitens, weil ich zu denjenigen Juden gehöre, die angesichts des dauernden Unrechts, das vom israelischen Staat an den Palästinensern verübt und von der großen Mehrheit der israelischen Bevölkerung mitgetragen wird, mit Scham, ja mit Fassungslosigkeit dastehen. Wie kommt es, so fragen wir uns, dass ausgerechnet Teile, ja große Teile, dieses unseres Volkes, das sein Überleben über die Jahrhunderte hinweg einer religiös-moralischen Tradition verdankt, der zufolge alle Menschen, auch die Fremden, die anderen, zu respektieren sind, eines Volkes, das zudem soviel Unrecht von anderen über sich ergehen lassen musste, bis hin zum totalen Exterminismus der Nazis, nun ihrerseits eine so menschenverachtende Haltung einnehmen. Ich werde nachher auf diese Frage zurückkommen […]

Zitat Ende.

Kommentar: Zur Rede selbst können und wollen wir keinen Kommentar abgeben, da sie dieses komplexe und von der Mehrheit der Israelis (nicht nur den politischen und militärischen Verantwortlichen) nahezu vollständig verleugnete Thema unserer Ansicht nach hervorragend und auch in seiner geschichtlichen Einordnung korrekt behandelt – insofern ist es uns ein echtes Bedürfnis, diesem Beitrag eine ganz besondere Leseempfehlung zuzuordnen. Die gilt nicht nur, aber vor allem den deutlichen Worte, die Herr Prof. Tugendhat für Antisemitismus und Philosemitismus gefunden hat! – Bemerkenswert ist für uns aber auch, dass diese Veranstaltung einer evangelischen Gemeinde in Tübingen nicht nur angekündigt, sondern auch eröffnet wurde – ganz im Gegensatz zum traurig-peinlichen Verhalten des DGB in Frankfurt am Main, der dieselbe Ausstellung (höchstwahrscheinlich) auf Druck der üblichen Verdächtigen mit höchst fadenscheiniger Begründung absagte. – Wie gesagt: sehr lesenswerter Text und in Sachen Gerechtigkeit, Ausgeglichenheit und Rückgrat ein nachahmenswertes Beispiel.

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