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Presseerklärung Hartz4-Plattform und Thomas Kallay vom 09.11.09

Im Rahmen unserer solidarischen Berichterstattung rund um die Klage vor dem BVerfG bezüglich der GG-Konformität der Eck-Regelsätze für Kinder und Erwachsene veröffentlichen wir auch die nachfolgende PE. Sie besteht aus einem Offenen Brief an den Kölner Sozialwissenschaftler und Armutsforscher Prof. Dr. Butterwegge, in dem eine (zu Recht) als unkorrekt empfundene Äußerung desselben zum BVerfG-Verfahren (im Zusammenhang mit dem Thema seines Artikels = Koalitionsvertrag, der die Kluft zwischen Arm und Reich vertieft) bemängelt wird.

Interessierte Leser/innen bitten wir auch um Beachtung des angehängten Kommentar unsererseits.

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Hartz IV:

Stützt Sozialwissenschaftler familienfeindliche Propaganda von Welt & Co.?

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Offener Brief an Christoph Butterwegge von Thomas Kallay, Hartz-IV-Kläger vor dem Bundesverfassungsgericht und Brigitte Vallenthin, Hartz4-Plattform Sprecherin

Sehr geehrter Prof. Dr. Butterwegge,

am 3. November schrieben Sie auf http://www.nachdenkseiten.de/?p=4309 im Rahmen eines Beitrages zum Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung (im 9. Absatz) folgendes:

“Ungefähr zur selben Zeit, als das Bundesverfassungsgericht am 20. Oktober 2009 darüber verhandelte, ob die Bedürfnisse der in landläufig “Hartz-IV-Haushalten“ genannten SGB-II-Bedarfsgemeinschaften lebenden Kinder bei der Regelsatzbemessung angemessen berücksichtigt wurden oder zumindest die Kinderregelsätze das Sozialstaatsgebot des Grundgesetz verletzen …“

Am 4. November schrieb der Hauptkläger vor dem Bundesverfassungsgericht, Thomas Kallay, der NachDenkSeiten-Redaktion; Bitte korrigieren Sie Ihre falsche Berichterstattung“ und begründete dies wie folgt

Ich bin derjenige Kläger in Hartz-IV-Angelegenheiten vor dem Bundesverfassungsgericht, der am 20.10. 2009 dort anwesend war, selbst vortrug, und bei dessen und seiner Familie Klage es vor dem Bundesverfassungsgericht eben nicht nur um die Verfassungswidrigkeit der Hartz-IV-Re-gelsätze für Kinder, sondern auch um die Verfassungswidrigkeit der Hartz-IV-Regelsätze für Er-wachsene geht, also nicht nur § 28 SGB II, sondern auch § 20 SGB II. Vielmehr sogar hatte das Bundesverfassungsgericht am 20.10. 2009 unser Verfahren mit dem dortigen Aktenzeichen  1 BvL 1/09 (Vorverfahren HessLSG L 6 AS 336/07) zum grundlegenden Verfahren im Rahmen der Prüfung der Verfassungswidrigkeit der §§ 20 und 28 SGB II gemacht.“

Link dazu:
http://www.tacheles-sozialhilfe.de/aktuelles/2009/Verfassungsgericht_Stellungnahme_Kallay.aspx

Selbst Mainstream-Medien konnten, nachdem die Bundesverfassungsrichter dem zentralen Verfahren um den Hartz-IV-Eckregelsatz mehr als drei Stunden der knapp fünfstündigen Verhandlungsdauer eingeräumt hatten, danach nicht mehr umhin, wahrheitsgemäß zu berichten.

Sie nahmen überwiegend Abstand von der vorausgegangenen Meinungsmache mit propagandistischen Interessen der Bundesregierung. Es sei ihnen nachgesehen, dass sie dies mit einer “überraschenden Wende während der Verhandlung“ entschuldigten.

Dass nun gerade Sie, sehr geehrter Prof. Dr. Butterwegge, noch zwei Wochen nach der Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht erneut in die regierungskonforme, familienfeindliche Falsch-Berichterstattung zurück fallen, erschreckt uns.

Wir haben in Ihnen bislang einen kritischen, sachorientierten Wissenschaftler gesehen, der sich nicht interessengebundenen Kampagnen der öffentlichen Meinungsbeeinflussung beugt. Einen der Mutigen, der kollektive Vorurteile eher aufdeckt als sie zu befördern.

Nicht also als einen vom Schlage Missfelder, Sarrazin, Buschkowsky & Co., die alle Hartz IV-Eltern pauschal zu lebens- und erziehungsunfähigen Säufern erklären und ihnen am liebsten nur noch Almosen-Gutscheine zubilligen würden, statt Geld zum Leben.

Wir waren bislang der Annahme, dass auch Sie es im Sinne eines gerechten gesellschaftlichen Miteinanders nicht für eine gesunde Entwicklung halten, wenn Hartz IV-Eltern ihre Kinder in sog. Archen schicken müssen, weil sie ihnen nicht genug zu essen auf den Tisch stellen können – während sie selber sich verschämt in Suppenküchen eine warme Mahlzeit holen müssen.

Dass dies ein unerträglicher gesellschaftlicher Skandal in unserem reichen Lande ist, bekundeten jüngst sogar 48% unserer Mitbürger, die für eine Hartz IV-Regelsatz-Erhöhung plädierten.

Wollen Sie, sehr geehrter Prof. Dr. Butterwegge, wirklich die Familien zerreißende Politik der Bundesregierung stützen, wenn Sie in einer Rechtfertigung an die NachDenkSeiten-Redaktion schreiben:

“In der öffentlichen Berichterstattung standen übrigens AUSSCHLIEßLICH die Kinder im Fokus …“ Und ansonsten den Kläger zum “Augenarzt“ schicken mit der Begründung: “Können die Leute nicht lesen?“

Wir fragen uns besorgt, wie weit entfernt Ihre so bekundete Meinung noch von der jüngst, z.B. in „Die Welt“ nachzulesenden, verschärften Linie eines „familienpolitischen“ Auslese-Gedankens ist, wo als “eine folgenschwere Entwicklung bezeichnet wird“, dass “Elterngeld – eine Fortpflanzungsprämie für die Unterschicht“ sei:

http://www.welt.de/politik/deutschland/article5061827/Elterngeld-Fortpflanzungspraemie-fuer-Unterschicht.html

Gleichwohl hoffen wir zuversichtlich auf einen klärenden Dialog mit Ihnen, der uns derartige Befürchtungen nimmt.

Und wir hoffen, dass Sie schließlich doch noch auf den Vorschlag der NachDenkSeiten-Redaktion eingehen:

“… wir nehmen den „Augenarzt“ und die Richtigstellung zum Klageinhalt einfach in ein Corrigenda bei den Hinweisen. Einverstanden?“

und sich mit der angebotenen Korrektur einverstanden erklären.

Mit kritischen, aber freundlichen Grüßen nach Köln,

Eschwege, 09. November 2009

Thomas Kallay

Wiesbaden, 09. November 2009

Brigitte Vallenthin

Wir danken für Ihre Berichterstattung und senden Ihnen herzliche Grüße

Brigitte Vallenthin
Presse

Hartz4-Plattform
keine Armut! – kein Hunger! – kein Verlust von Menschenwürde!

Bürgerinitiative für die Einführung des Bedingungslosen Grundeinkommens sowie die Information und Unterstützung von Hartz IV-Betroffenen

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Kommentar AmSeL

Auch wenn die Unterzeichner des Offenen Briefs mit Ihrer Forderung nach einer korrekten Behandlung des Themas fraglos Recht haben, so könnte man diese Reaktion doch „leicht“ als etwas übers Ziel hinaus schießend bewerten. Besonders dann, wenn man berücksichtigt, dass diese falsche Interpretation von „Kinderarmut“, die nachweislich vorrangig durch die Einführung der Hartz-Gesetze buchstäblich explodiert ist, auf einen „breiten Konsens“ von Politik, Wissenschaft und Medien zurückzuführen ist. – Den Anteil, welchen die Gesellschaft selbst durch die ungeprüfte An- und Übernahme der so verbreiteten Desinformationen am Entstehen dieser „argumentativen Schieflage“ hat, wollen wir hier nicht explizit thematisieren.

Da wir (bisher) nur die Verlinkung zum Artikel bei den NachDenkSeiten nachprüfen konnten, nicht aber die zusätzlich angeführte „Rechtfertigung“ seitens Prof. Dr. Butterwegge oder das angeführte Zugeständnis der Redaktion, möchten wir diesen Vorstoß, mit einer leicht relativierenden Ergänzung unsererseits verbunden, trotzdem mittragen.

Wir hatten schon mehrfach bemängelt, dass die Kinderarmut aus nachvollziehbaren, aber umfassend inakzeptablen Gründen aus dem Kontext der exzessiv betriebenen Prekarisierung großer Teile der Bevölkerung herausgelöst behandelt wird. Die Gründe dürften auf der Hand liegen … zum einen will man von interessierter Seite ein „ernsthaftes Interesse“ an den Kindern heucheln und auf der anderen Seite die hochgradige Schuld kaschieren, die man seitens der Politik, des wissenschaftlichen und „anderweitig beratenden“ Expertentums und nicht zuletzt der Medien an der Entwicklung in diesem Bereich trägt.

Insofern ist es zwar legitim, wenn man von einem als (system-) kritisch geltenden (und außerhalb des von den Verfassern in den Fokus gerückten Detailthemas auch so argumentierenden) Sozialwissenschaftler erwartet, dass er sich eines tatsachenkonformen Umgangs mit der Gesamtthematik befleißigt. Um diese weitverbreitete Unart nicht nur wissenschaftlicher Teile unserer Gesellschaft wirksam zu überwinden, werden jedoch weitere und auch auf einen Konsens mit den teilweise kritisierten Personen ausgedehnte Bemühungen folgen müssen. Da dies von den Verfassern des Offenen Briefes am Ende auch formuliert wird, können wir diese Vorgehensweise – unter Beachtung der oben genannten Einschränkung – letztendlich also vollumfänglich unterstützen.

2 Antworten

  1. Ich kann immer wieder nur den Kopf schütteln. Kinderarmut in Deutschland? Sollen die Eltern doch einfach das Taschengeld erhöhen?! Was geht ab geben die Eltern das Geld einfach für Parteispenden aus oder wie ? Oder stellen die Kinder alleine ihren HIV Antrag und machen dabei Fehler? Fragen über Fragen ein Teufelskreis

  2. Wir können nicht über Kinderarmut reden ohne Elternarmut zu akzeptieren. Die Einzige Schicht die ich kenne, wo es so etwas gibt; Eltern reich, Kinder arm, ist die Oberschicht. In allen anderen Fällen geben Eltern ihr letztes Hemd, damit es dem Kind gut geht. Aber frei nach dem Spruch: „Was ich denk‘ und was ich tu‘, das trau‘ ich Anderen zu!“ unterstellen diese ******** Hartz4-Empfängern genau das, was sie selber in so einem Fall tun würden.

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