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Gastbeitrag Arno Hirsch: Wählerbeschimpfung

Zu diesem Gastbeitrag können wir uns jeglichen Kommentar sparen, da er im Kern exakt den Denkanstößen und Forderungen entspricht, die auch wir „in Umlauf zu bringen“ versuchen. Demzufolge empfehlen wir ihn guten Gewissens und bitten hinsichtlich des Schlussabsatzes um doppelte Aufmerksamkeit …

Wählerbeschimpfung

Von Arno Hirsch

Wer mich kennt, weiß, daß ich mir von der Wahl nicht viel erhofft habe, trotzdem hat mich das Ergebnis etwas befremdet. Vor allem den Zugewinn der FDP fand ich sehr befremdlich, etwa 7 Millionen, habe ich einmal geschätzt, haben diese Partei gewählt. Der Spruch „Arbeit muß sich wieder lohnen“ hat einen herben Beigeschmack. Natürlich sollte sich Arbeit lohnen, doch was soll das bedeuten und was soll das für die bedeuten, die keine Arbeit haben. Das Einkommen der Arbeitnehmerschaft, zumindest der mittleren und unteren Einkommensklasse, wird wohl kaum steigen können, angesichts der größten Wirtschaftskrise der Geschichte Deutschlands. Das Lohnniveau sinkt sogar, und zwar tendenziell. Ich hoffe doch, keiner glaubt wirklich an einen Aufschwung in den nächsten Jahren. Wenn nun die Einkommen nicht in dem Maße steigen, wie sollte sich dann Arbeit wieder lohnen, doch nur dadurch, daß die nicht Arbeitenden noch weniger bekommen. Außerdem was heißt „wieder lohnen“, hat sich zuletzt Arbeit nicht gelohnt? Und wenn nicht, in Bezug auf was? Für die Hungerlöhner lohnt sich Arbeit sicher nicht, aber diese Gruppe ist wohl auch nicht so dumm, die FDP zu wählen, denn diese wissen genau, daß sie nicht gemeint sind. Das heißt ein oder zwei waren sicher auch dabei aus dieser Kaste, es kann ja nicht nur vernunftbegabte Menschen geben. Also die Hungerlöhner haben diese Partei wohl kaum gewählt, ebensowenig wie das Heer der Nutzlosen, will heißen Arbeits- und Obdachlose. Die Rentner dürften sich wohl auch kaum angesprochen gefühlt haben.

Das andere Debakel finde ich zwar weniger befremdlich, aber darum umso schlimmer. Die CDU hat so wenig verloren, bei all dem was diese Partei zur Demontage der Demokratie beigetragen hat. Alleine schon die Tatsache den Lissabon-Vertrag zu ratifizieren, ohne das Volk zu fragen, trotz des Artikels 146 GG. Für mich ist das ein eindeutiger Angriff auf die Demokratie, denn der Lissabon-Vertrag ist eine Verfassung, und darüber muß das Volk bestimmen. Auch sonstige Maßnahmen, vor allem die Überwachungsgesetze sind nicht gerade demokratisch. Ich dachte immer, wir dürften und sollten unsere Regierung überwachen, daß sie nicht etwa in Faschismus oder ähnliches abrutsche. Diese Partei stellt das auf den Kopf – sagenhaft diese Dreistigkeit.
Den Wahlkampf der CDU fand ich hübsch, ja mit was haben sie da geworben, mit ihrem Können? Ich sage dazu nur Eigenlob, ihr wisst schon was ich meine. Sie haben die Banken gerettet, die große Krise abgewendet und das mit einer solchen Entschlossenheit, zack, zack. Nur leider ist die Krise noch nicht ausgestanden, und ich fürchte die Blamage steht noch aus, auch die Rechnung ist noch nicht bezahlt. Sie haben die Krise auch nicht abgewendet sondern hinausgezögert, und die Rechnung dürfen wir, das Volk begleichen, bald.

Die CSU hat es etwas erwischt, ich brauche dazu nichts mehr hinzufügen. Die SPD hat auch bekommen was sie verdient hat. Arbeit für alle ist auch wirklich dick aufgetragen. Die LINKE kann sich nicht beschweren, sie hat mehr Stimmen bekommen, als sie verdient hat. Ich selbst habe zwar auf mehr gehofft, weil mir es besser gefallen hätte, die anderen hätten keine Mehrheit ereicht. Aber die LINKE ist trotzdem nicht mein Ding.
Überhaupt glaube ich, daß dieses Parteiensystem eine Versagernummer ist. Ich möchte Inhalte wählen und keine Sprüche. Ich möchte die Richtung der Politik wählen und keine Köpfe.

Mein Fazit: Ich bin enttäuscht von dem Ergebnis, aber ich habe nichts anderes erwartet, da zurzeit durch Wahlen keine Veränderung möglich ist.

In den Köpfen müssen wir die Wahl treffen und schlussendlich in unserem Handeln. Es bedarf allerdings, sofern noch nicht geschehen, einer klaren begrifflichen Neuordnung unserer Vorstellung von Politik. Es genügt eben nicht nur hier und da an ein paar Schrauben zu drehen und alles läuft. Zu tief sind die Ideologien von Markt, Arbeit, Geld usw., die uns über Jahrzehnte, die Mächtigen, die Konzerninhaber und ihre Wegbereiter, die Politiker, eingeredet haben, als daß wir einfach etwas ändern können. Allzu leicht verrennen wir uns in Widersprüchen, denn in der Sprache selbst manifestieren sich begangene Fehler. Wir haben uns die Begriffe nehmen lassen und scheitern all zu oft an der Begrifflichkeit. So ist es z.B. den Montagsdemos ergangen und so ist es bei der Opelkrise gegangen.

Stellen wir uns doch einmal vor, morgen ist Revolution, in welche Richtung werden wir uns dann bewegen, was sollen dann unsere Ziele sein? Das alte System mit Auflagen? Ein neues System oder Anarchie wohl gar? Oder folgen wir denen, die am lautesten schreien? Oder bleiben wir einfach zu Hause?

Begeben wir uns einmal dorthin, wo unsere Reden und Gedanken verdinglicht sind (vgl. G. Büchner). Kritisch auch mit uns selbst und nicht nur mit dem Gegenüber. Ich will mich da gar nicht ausnehmen, ganz im Gegenteil. Ich will mich auch nicht über andere erheben, würde ich die Weisheit besitzen, die alles zu erklären vermag, würde ich gar nichts mehr schreiben. Im Diskurs mit Anderen und in dem man seine Gedanken der Öffentlichkeit preis gibt, erkennt man besser seine Schwächen.

Doch ich möchte meine Thesen auch noch etwas an Beispielen erläutern. Man sagt, die Hartz-Gesetze seien ein Fehler, sie schaffen gar keine Arbeit und überhaupt sind die Verwaltungskosten überproportional hoch. Deshalb, und weil es entwürdigend ist, sollten sie abgeschafft werden. Aber diese Gesetze sind nicht für jeden ein Fehler. Aus der Sicht der Konzerne und derer, die Arbeit verkaufen, sind sie geradezu genial. Ein besseres Druckmittel um Löhne niedrig zu halten, kann ich mir kaum vorstellen. Auch scheinbar kritische Berichte zu Hartz-Geschädigten, wie Schikanen und anderen, in den Medien, erfüllen ihren Zweck. Der noch Arbeit hat, kann dadurch erfahren, mit Hartz geht es so und so. Das will natürlich keiner. Wenn nun beispielsweise ein Konzern X Kosten reduzieren will, um seinen Ertrag zu steigern, was macht er dann. Bei Rohstoffen, Halbgütern und Energie ist nicht viel zu machen, bleiben also nur die Lohnkosten. Man handelt also einen Deal aus, ein Drittel der Belegschaft wird entlassen, die anderen arbeiten 1 Stunde länger fürs gleiche Geld. Als Alternative steht die Drohung, das Geschäft ins Ausland zu verlagern. Die Belegschaft wird sich dem Druck wohl beugen (vgl. Opel), denn ihre Alternative ist Hartz IV, und wie es denen ergeht, das haben wir ja schon im Fernsehen gesehen, und eine Lobby haben die auch keine.
Indem wir die Gesetzes-Fehler nennen, akzeptieren wir im Inneren die Politik, die halt nur einen Fehler gemacht hat. Aber es sind doch Oligarchen oder nicht, dann sind es auch keine Fehler. Ich persönlich bin sogar davon überzeugt, das der Hauptgrund Hartz IV einzuführen, dieses Druckmittel ist, und die Denunziationen geschehen nicht etwa aus Versehen, sondern sind geradezu ein elementares Instrument des ganzen Hartz-Systems. Daß dieses System nur ein Übergangssystem für ein noch übleres System ist, auch davon bin ich überzeugt.

Im Grunde müssten sich die noch Arbeitenden und die Gewerkschaften mit den direkt Hartz-Geschädigten zusammentun, da diese Gesetze auch gegen Ihre Interessen stehen. Doch warum ist dem nicht so? Weil sie die Zusammenhänge nicht verstehen, wie viele Hartzbetroffene auch. Sie begehen einen Denkfehler, weil sie mit den Gedanken ihrer Kontrahenten denken. Viele glauben, das alles geschehe wegen der Wirtschaftskrise, dem globalen Markt und der Alterspyramide, doch das ist Unsinn. Erstens, die Krise kam nach dem Lohnverfall, und gegen das globale Ausbluten kann man Maßnahmen ergreifen, die würden aber den Konzernen gar nicht schmecken. Und die Alterspyramide ist der größte Schwachsinn, wir haben so viele arbeitswillige Arbeitslose, hätten sie einen vernünftig bezahlte Arbeit, nicht so was tagelöhnermäßiges wie Minijobs, dann würde auch mehr Geld in das Umlaufsystem fließen.

Die Politiker werden einen Teufel tun die Gesetze zu lockern oder gar umzusteuern, sie vertreten ja gar nicht unsere Interessen, sondern die der Kapitaleigner. Und deren Interessen sind natürlich maximale Kapitalrendite und niedrige Löhne tragen dazu bei. Beispiel Lissabon-Vertrag, die Mehrheit war gegen diesen Vertrag und trotzdem wurde er ratifiziert. Wem nützt nun dieser Vertrag wohl am meisten? Das ist nur ein Beispiel, wie selbst eine banale Vorstellung von Demokratie, nämlich der Mehrheitsdemokratie, übergangen wird. Die Wahl war ja kein Freibrief sondern eine Personalentscheidung. Das ist auch in anderen Bereichen nicht anders, wo auch der Mehrheitswille unbeachtet bleibt. In der Hauptschule hat man uns das mit der Mehrheit immer als das Wesen der Demokratie erklärt. Viele denken so noch bis ins hohe Alter, aber so banal ist der Begriff beileibe nicht.

Wenn wir nun uns an die Politiker wenden und sagen, „hier sind 20 000 Unterschriften und wir möchten, daß Sie, liebe Politik, diese und jene Maßnahmen abändern“, was wird wohl geschehen. Lieber Leser was glaubst Du, wird geschehen, oder anders gefragt bei welcher Gelegenheit hat das etwas bewirkt?

Wir sind in einer gänzlich schlechten Position, alleine kann man nichts erreichen und die nötige Solidarität ist auch noch nicht in dem Maße vorhanden. Sollen wir einfach abwarten bis es genug Menschen so dreckig geht, um dann gemeinsam von der Politik zu verlangen, daß auch unsere Interessen berücksichtigt werden? Wenn mehr sich einbringen, geht’s vielleicht etwas schneller, und je mehr sich aktiv beteiligen, desto besser wird das Ergebnis. Wer noch nicht gestorben ist, der macht sich auf die Socken nun (B. Brecht). Rückt zusammen, tauscht euch aus, Ideen sind immer gern gesehen. Wir werden einer Änderung nicht entgehen können.

3 Antworten

  1. Unterschrieben.

  2. „Eugenia sagt:
    4. Oktober 2009 um 02:23

    Unterschrieben.“

    Das ist glaube ich der kürzeste Kommentar, den ich je gelesen habe.
    Wenn ich das auch so handhaben darf, dann möchte ich mit Kommentare schreiben Geld verdienen und das Geld dann zum Aufbau einer autarken Gesellschaft verwenden.
    Ganz „Lieber Widerstand“ – meine erste Gruppe, wurde leider gelöscht und damit aufgerieben. Da wo es sie gab, wurde kein Widerspruch oder Kritik geduldet. So kam ich hier auf solche Aufklärungsseiten.

    Noch etwas technisches Hans. Mein PC beraucht bei Deiner Seite unheimlich lange zum Laden, wenn ich vom Artikel wieder auf die Hauptseite kommen will. Wenn das anderen auch so geht, dann könnte das Leser kosten.

    Viele Grüße

  3. Na ja, Jochen … wie sagt man doch gleich? Manchmal ist wenig mehr? – So lange die gute Eugenia damit zum Ausdruck bringt, dass sie voll inhaltlich mit dem Autor des Gastbeitrags konform geht, ist das – meinen wir jedenfalls – doch eine sehr überzeugende Ansage.

    Auch wenn wir den „Untergang“ Deines ersten Versuchs natürlich bedauern, so begrüßen wir doch – egoistisch wie wir in Sachen Schaffung einer „multifunktionalen Solidarität“ bekanntlich sind -, dass Leute wie Du aus diesem und ähnlichen Gründen den Weg auf Seiten wie die unsere gefunden habt. Wenn das noch etwas mehr „Mode macht“, kann die Sache, die wir alle gemeinsam vertreten, am Ende nur gewinnen!

    Was die technischen Probleme angeht … wir sind keine Experten auf diesem Gebiet und das, was wir bisher versuchten, um die Zugriffsgeschwindigkeit zu erhöhen, hat leider nicht viel gebracht. Aber wir werden weiter daran arbeiten und gerne auch Unterstützung von „kompatiblen IT-Experten“ annehmen. – So viel dazu – vielen Dank für den Hinweis und beste Grüße!

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