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Gastbeitrag Arno Hirsch: Mit Pessimismus entschlossen in die Zukunft

In erster Linie möchten wir den nachfolgenden Artikel, den wir mit der freundlichen Genehmigung des Autors veröffentlichen (unseren ausdrücklichen Respekt und Dank dafür!), allen unseren Leserinnen und Lesern ans Herz legen, weil er sehr tief in das Dilemma vordringt, das uns nicht nur von oben aufgezwungen, sondern auch durch unsere Verweigerung hinsichtlich eines eigenverantwortlichen Umgangs mit der Realität und allen daraus resultierenden „Kompromissen und Ausreden“ überhaupt erst möglich wurde.

Natürlich … wir sind eventuell nicht alleine schuld daran, weil dem heute zu konstatierenden Ist-Zustand unserer Welt und menschlichen Gesellschaft eine Jahrtausende währende Entwicklung vorausgegangen ist, aber wir hätten die Informationen (Mittel) und auch die Möglichkeit, dieser Entwicklung endlich und entscheidend Einhalt zu gebieten … nun, genug der Vorrede, lassen wir jetzt den Autor zu Worte kommen, der diesen Sachverhalt ebenso angemessen deutlich wie zutreffend auf den Punkt bringt.

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Ich möchte jedem die Hoffnung nehmen

von Arno Hirsch

0.
Ich möchte meinen pessimistischen Ansatz nicht verhehlen. Mein Artikel ist aber nicht als Moralpredigt zu verstehen, auch wenn dieses auf den ersten Blick so erscheinen mag. Außerdem sucht man darin konkretes vergeblich. Vielmehr suche ich nach Ideen, Einfluss zu nehmen um diese Richtung unserer Gesellschaft zu beeinflussen. Mir wäre schon daran gelegen, alleine schon dem Fatalismus zu entkommen.

Mir geht es in etwa so wie Georg Büchner 1834 in einem Brief, den er an die Braut schreibt:

„Ich fühle mich wie vernichtet unter dem grässlichen Fatalismus der Geschichte. Ich finde in der Menschennatur eine entsetzliche Gleichheit, in den menschlichen Verhältnissen eine unabwendbare Gewalt. Allen und Keinem verliehen. Der Einzelne nur Schaum auf der Welle, Die Größe ein blosser Zufall, die Herrschaft des Genies ein Puppenspiel, ein lächerliches Ringen gegen ein ehernes Gesetz, es zu erkennen das Höchste, es zu beherrschen unmöglich.“


1.
Bald ist Wahl, und mancher mag wohl der Politik eine Watschen erteilen wollen. Aber was wir auch wählen, die nächste Wahl ist schon entschieden. Der alte Block von CDU/CSU und SPD wird die Mehrheit bilden, soviel ist schon gewiss. Und ich weiß auch schon was das bedeutet, viele wissen schon, was das bedeutet.

Wir haben es gewollt, wir werden es bekommen, ich möchte mich da gar nicht ausnehmen. Lange schon habe ich mit dem System gehadert und mich aus Frustration der aktiven Teilnahme entzogen. Entzogen ist eigentlich falsch, ich habe mich verweigert.

Wenn die Titanic absäuft, geht  mir das so was am … vorbei, hatte ich gedacht. Ich kümmere mich um meine Sachen, die mir noch Spaß bereiten. Doch ich habe mich verrechnet. Auch wenn man die Tür und Fenster hinter sich verschließt, so dringt doch das Wasser durch die Ritzen ein.

Heute bin ich soweit, dass ich es kaum ertragen mag. Das Leid, das Elend um mich herum. die Existenzen, die in ihrer Not verzweifeln, in unserer Mitte, sichtbar für den, der sehen will. Doch mit meinen Händen kann ich es nicht verhindern. Meine Stimme verhallt ungehört. Viele Stimmen verhallen ungehört. Wir sitzen alle, jeder für sich, in Schachteln und kratzen mit den Nägeln an dem Deckel. (vgl. Hans Magnus Enzensbergerger: Der Untergang der Titanic)

2.
Wir stehen zwar vor einer Zeitenwende, soviel ist gewiss, die alten Systeme sind festgefahren, niemand, der mit Systemmittel daran herumdoktert, wird etwas ändern können. Auch die Wahl kann keine Änderung bewirken, die bewirkt gar nichts.

Es fällt schwer das einzusehen, denn ein Neuanfang ist ein Gang ins Unwägbare, das unbekannte Land. Uns schwindet die Zukunft vor den Augen und wie Blinde müssen wir uns vorantasten. Die Rohstoffe versiegen, das Öl und viele Metalle gehen allmählich zur Neige. Das Finanzsystem ist entgleist. Die Sozialsysteme kollabieren, die Renten, das Gesundheitssystem. Arbeitsplätze schwinden. Lebensmittel, die Fische im Meer schwinden, gesundes Gemüse wird immer kostbarer. Das ist aber nicht der Welten Ende sondern der Anfang vom Zerfall oder Wandel. Was zu Ende geht ist der Traum von Vollbeschäftigung und grenzenlosem Wachstum, des hemmungslosen Konsums, des Traums vom sorglosen Alter, von der gesunden Umwelt, von einem Leben in Frieden. „Der Krieg der dauert noch 100 Jahre“ (B. Brecht)

Die Politik hat das entweder nicht verstanden oder ist ganz und gar unfähig, derer beides oder ganz und gar korrupt. Wenn wir so weitermachen, werden immer größere Teile unserer Mitbürger verelenden. Schaut man sich nur einmal die Wahlsprüche an. ich weiß, alles Lüge, dann kann man die Bereitschaft umzudenken klar ablesen, Fehlanzeige. Heute, jetzt, wäre die beste Zeit mit dem Wandel zu beginnen. Die Generationen, die nach uns folgen, werden nicht so zimperlich sein. Heute leben schon etwa 4 Millionen Kinder in Armut, die werden sich zu bedanken wissen.

Auch wenn ich selbst am Ende fast nichts dazu beigetragen habe diese Richtung zu korrigieren, so hoffe ich doch wenigstens, mich nicht der Mitschuld schuldig gemacht zu haben.

3.
All jene, die die Welt nur aus dem Fenster ihrer Mattscheibe kennen, nur die Wahrheit, die ihnen eingespielt wird auf ihre flachen Schirme, werden es nicht glauben können, wenn die Träume versagen und der Medienkonsum nicht mehr darüber wegtäuschen kann. Trotz Aufkleber „Ein Herz für Kinder“. Sie werden erkennen, dass die Freiheit doch mehr wert ist als die Designer-Kacheln im Bad. Und mit ungehemmtem Konsum ist es dann auch vorbei. Der Chanelduft wird schnell verflogen sein.

Mir kommt das Getue in den Medien und dessen Reflexionen in den Menschen so unwirklich vor, so unglaublich verbohrt, als wäre das Brett vor dem Kopf nach innen gewachsen. Es ist doch alles, wirklich alles nur Fassade, wie in den Western, nur Kulisse. Auch die Dokus, auch die Kritik. Das konsumhungrige Volk hält das für die Wahrheit. Mit der Fernbedienung wird der Weg frei geräumt. Sie werden zensiert und zensieren sich selbst. Die Botschaften werden ihnen tropfenweise verabreicht, und wie ein Gift durchdringt es das ganze Wesen.
Auf diese Versager zu hoffen, bis sie erwacht sind, ist, glaube ich, sinnlos, auch sie überzeugen zu wollen, ist, denke ich, sinnlos.

Zum Glück ist es nicht die Mehrheit unseres Volkes, die alles schlucken, und auf die, die zufällig weniger Glück hatten und schon früher aus dem System der Selbstversorgung gefallen sind, mit Fingern zeigen.

4.
Auch wir, die wir glauben die Wahrheit zu verstehen, müssen auch verstehen, das selbst wir etwas ändern müssen. Der Worte sind genug gewechselt, nun lasst uns auch endlich Taten sehen. (Goethes Faust)

Was wir nicht brauchen ist blinder Aktionismus. Habe ich „nicht brauchen“ geschrieben, das ist natürlich falsch, das sagen die Politiker immer, wenn sie Querdenker blockieren wollen. Wir müssen auf Gewalt verzichten. Wir brauchen doch auch Aktionismus und blinden dazu. Der Aktionismus muß blind sein, da die Ziele, das unbekannte Land, ein radikaler Wechsel sein muß, und dieses Ziel liegt im Dunkel des Unbekannten, des nie Erlebten. Wenn wir nicht handeln, die Eliten tun es und das nicht zu unseren Gunsten, ja sie haben es schon getan und tun es immer wieder. Das Wort Eliten gefällt mir nicht, das sind keine Eliten. Eliten sind in bestimmten Bereichen besonders Begabte, ja im Lügen und Betrügen vielleicht, mag sein, skrupellos ganz sicher. Diese sind nur reich. Diesen gesteht man nur wegen ihres Reichtums die Macht zu. Wer hat uns das eingeredet? Sie glauben, ihnen gehöre die Welt und wir sind ihre Stiefelputzer. Aber ihr Reichtum ist Diebesgut, das haben sie uns gestohlen und wir haben es mit Elend bezahlt. Und die Erde gehört uns auch, mit dem Geburtsrecht wurde sie uns zugesprochen. Die Fische im Meer gehören uns, aber sie fangen sie mit großen Netzen und verkaufen sie uns, unser Eigentum. Die Schätze unter Erde, sie graben sie aus und verkaufen sie uns, dem Eigentümer. Sie vergiften dabei unser Land und die Meere.

Unsere Zeit, das Heute ist aber eine fatalistische Zeit, wo man das Gefühl hat, alles läuft wie auf Schienen. Ausweglos, viele fühlen sich von der Politik hintergangen, von der Wirtschaft ausgenutzt und von der Gesellschaft übersehen. Doch dieser Eindruck täuscht nicht, es ist sogar noch viel schlimmer. Wir sind zu Einzelkämpfern geworden; ohne das wirkliche Gruppenempfinden kämpft jeder für sich oder in kleinen Gruppen gegen eine Übermacht von Dummheit und Gleichgültigkeit.

Was waren das noch für Zeiten als ganze Heerscharen von Betroffenen sich gegen das System gewandt haben. Es ist vorbei. Aber auch Gestalten wie Martin Luther King oder Ghandi sucht man heute vergebens und es wird sie auch in naher Zukunft nicht geben. Diese Leute wurden von Visionen getragen, heute gibt es keine wirklichen Visionen. Die Zukunft ist dunkel. Leute die trotzdem aus der Normalität heraustreten und Visionen wagen, haben es sehr schwer und sind auch unter ihresgleichen umstritten (vgl. Hugo Chávez). Nun mag ich nicht Chávez zum Vorbild nehmen, die Bedingungen in Venezuela sind ganz anders als bei uns. Nein, ich bewundere nur dessen Mut, einen ganz neuen Weg zu gehen, ohne auf Massenkonsum zu setzen und gegen die Interessen der USA.

5.
Die Arbeitsplätze, die heute verloren gehen, kommen nicht wieder zurück. Es handelt sich dabei um Arbeitsplätze, die den Wert, den wir mit Geld repräsentiert sehen, erwirtschaften. Wir können uns nicht alle gegenseitig die Wohnung putzen, das sind keine wertschaffenden Tätigkeiten, das wäre ja absurd. Die Steuereinnahmen sinken und bedenkt man Gesetze wie die Schuldenbremse, die im Grundgesetz verankert werden soll, bemerkt man, die Politik steuert in die Unumkehrbarkeit. Man wird uns daran erinnern, wir würden ja, aber wir können nicht, Sachzwang Schuldenbremse. Was auf den ersten Blick gut aussieht, birgt eine große Gefahr. Die Konsequenzen kann man sich an den fünf Fingern ablesen, Abbau des Sozialstaates.

Eines der größten Debakel, das uns bevorsteht, sind die Rentenansprüche, schon heute reichen die Gelder aus dem Umlagensystem nicht mehr aus. Die Rente mit 67 wird nicht das Ende sein. Aber schlimmer noch sind die Berechnungen der Fehlzeiten, vor allem in den letzten Arbeitsjahren vor der Rente, wo vielen die Arbeitslosigkeit droht. Aber auch diese Berechnungsgrundlage wird nicht die letzte Änderung gewesen sein.

Man möge bedenken, dass es auch in der Altenpflege ein Klassensystem gibt. In den Medien werden uns da immer die besseren Klassen vorgeführt und die schlechten verschwiegen. Kulturelles Angebot, Fehlanzeige. Endlager für unproduktive Gesellschaftsmitglieder, mit raschem Zerfall und geistiger Verarmung.

Auch das Gesundheitssystem krankt auf höchstem Kostenniveau. Nach meiner Meinung ist dieses System zu einem Subventionierungssystem für die Pharmaindustrie mutiert. Krankheiten werden nicht oder nur selten geheilt, sondern es werden fast nur noch Symptome durch Medikamentengabe unterdrückt. Und selbst die Nebenwirkungen dieser Mittel werden mit anderen Medikamenten unterdrückt. Daraus entsteht oft lebenslange Abhängigkeit von der Pharmaindustrie. Oft genug gibt es bessere und billigere Alternativen, meist auch ohne Gabe von Medikamenten, die eine dauerhafte Verbesserung schaffen. Dieses selbst kranke System kostet uns eine Unmenge und erfüllt seinen Zweck oft nicht mehr.

Die Liste der Mängel läßt sich noch beliebig erweitern. Und alle diese Systeme sind am kollabieren. Und weitere Kürzungen, vor allem auf der Nutzerseite sind vorprogrammiert.

Den Rest, was die nationale Politik nicht verbaut hat, wird uns durch die EU, speziell dem Lissabon Vertrag, genommen. Der Einzelne wird immer mehr entrechtet, und die soziale Sicherung wird uns immer mehr verweigert.

6.
Das sich irgend wann etwas an diesem oligarchischen System ändert, davon bin ich überzeugt, aber ob wir jene sind, die den Anlass zu wenden geben, daran zweifle ich sehr. Trotzdem versuche ich mich einzubringen und suche nach neuen besseren Möglichkeiten. An eine Wende durch die Wahl glaube ich jedenfalls nicht, trotzdem gehe auch ich hin, trotzdem wähle auch ich das kleinere Übel, denn ich denke, es gibt genügend Menschen, die mit den Verhältnissen unzufrieden sind, um Mehrheiten zu verhindern. Das könnte uns einen Aufschub verschaffen.

Doch die Umkehr wird nicht an der Wahlurne entschieden, sondern durch unser Handeln. Darum, wenn wir den Wandel wollen, dürfen wir unter uns nicht das Trennende suchen, sondern wir müssen das suchen was uns verbindet. Wenn die Wahl vorbei ist und unsere Hoffnung enttäuscht wurde und die Euphorie sich gelegt hat, sollten wir uns das zu Herzen nehmen.

Eine Antwort

  1. Glückwunsch! Einer der besten Beiträge nicht nur im Internet zur Situation (nicht nur ) in Deutschland. Der Artikel widerspiegelt auch meine Auffassungen voll und ganz. Es ist immer wieder erstaunlich im Alltag zu erleben, wie viele Leute mit den Zuständen unzufrieden sind, aber am Ende doch alles mitmachen. Ein konkreter Irrsinn aus dem Mansfelder Land: Vorige Woche tagten im Kloster Helfta die Agrarminister, Milchbauern protestierten gegen die niedrigen Preise, aus Protest wurden rund 50.000 Liter Milch ausgegossen, wie vielen Menschen hätte man damit in den Entwicklungsländern damit helfen können!

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