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Externe Information: Stuttgart 21 – demokratisch legitimiert? (Jens Loewe)

Die nachfolgenden, ebenso umfang- wie aufschlussreichen Informationen leiten wir auf Anfrage eines befreundeten Kollegen weiter, da wir unseren Leser/innen ebenfalls die bestmögliche Grundlage für eine „dem geltenden Recht angemessene“ Meinungsbildung bezüglich des „heftig umstrittenen“ Bahnprojekts zur Verfügung zu stellen. Lesen Sie aufmerksam (aufgrund der Länge der Ausführungen, die eine Veröffentlichung auf dem Blog nicht sinnvoll erscheinen lassen, wird am Ende der Einleitung eine PDF-Fassung zum herunterladen bereitgestellt) und machen Sie sich dann Ihre Gedanken darüber – aber auch (wieder einmal) darüber, was Sie von den involvierten Personen, Institutionen, Parteien und Medien zu halten haben.

Über diese neutral gehaltene Einleitung hinaus werden wir keine weitere Kommentierung vornehmen.

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Der Artikel wurde von Jens Loewe, Stuttgart am 1. September 2009 erstellt und uns über die Kollegen von Der Star-Herald zur Veröffentlichung weitergeleitet.

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Wir bitten unbedingt um Verbreitung dieses Artikels in allen Medien. Denn in diesem Artikel steckt politischer Sprengstoff !!!

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Stuttgart 21 – demokratisch legitimiert ?

(Originalartikel)

In Stuttgart soll derzeit das Milliardenprojekt Stuttgart 21 unter allen Umständen verwirklicht werden. Gleichzeitig wächst der Widerstand täglich. Der Oberbürgermeister der Stadt Stuttgart, Wolfgang Schuster, teilt dazu knapp mit, so z.B. in den Stuttgarter Nachrichten v. 13.8.2010, dass der Beschluss durch alle Gremien ging und damit demokratisch legitimiert sei. Dazu gibt es jedoch handfeste Gegenargumente. Die folgenden Argumente sind als ein Beitrag zur Klärung dieser Frage zu verstehen. Dazu ist es dringend erforderlich, zunächst allgemein den Begriff Demokratie zu definieren. Eine Bestandsaufnahme tut Not!

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Inhalt:
Was bedeutet Demokratie?
1.  Definition und Bestandsaufnahme
2.  Zwingende Folgerungen
3.  Fazit, bezogen auf Deutschland

Stuttgart 21, demokratisch legitimiert ?
4.   Was hat dies alles mit Stuttgart 21 zu tun?
5.   Bürgerbeteiligung
6.   Bürgerumfragen
7.   Durch alle Gremien bestätigt ?
8.   Politische Gremien unfehlbar?
9.   Stuttgart 21 – unumkehrbar?
10. Kosten einer Beendigung von Stuttgart 21
11. Nebentätigkeiten und Spenden
12. Protest zu spät vorgetragen?
13. Planfeststellung
14. Bürgerbefragung möglich?
15. Information
16. Demokratisch legitimiert? – Fazit für Stuttgart
17. Lösungsmöglichkeiten
18. Weitere Quellen

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Was bedeutet Demokratie?
1. Definition und Bestandsaufnahme

Der Begriff Demokratie beschreibt ein Prinzip, nach welchem die Bürgerinnen und Bürger selbst der Souverän, also oberste und souveräne Instanz, Träger der Staatsgewalt und gleichzeitig die Beherrschten sind. Und nicht etwa ein König, Diktator oder Willkürherrscher. Dieses fundamentale Prinzip gilt es anzuerkennen, wenn man von Demokratie spricht.

Das Anerkenntnis dieses Prinzips findet sich in Deutschland in der Ausrufung der Republik im November 1918 durch Philipp Scheidemann in Berlin mit den Worten „…alles für das Volk, alles durch das Volk...“ und seit 1949 im Grundgesetzt, in Artikel 20.2. in der Formulierung „… Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus…“ Ähnlich beschrieb es der 16. US-Präsident, Abraham Lincoln am 19. November 1863 in seiner Gettysburg Rede, mit den Worten: „…auf dass diese Nation eine Wiedergeburt der Freiheit erleben und auf dass die Regierung des Volkes durch das Volk und für das Volk nicht von der Erde verschwinden möge…“ Damit verankerte er die Idee der Volkssouveränität in der amerikanischen Seele.

Im Zeitalter der Aufklärung waren es Philosophen wie Jean-Jaques Rousseau, Montesquieu, Voltaire, aber auch der Gründervater der amerikanischen Demokratie Thomas Jefferson, die mit ihrem Demokratieverständnis die Überwindung absolutistischer Herrschaftssysteme herbeiführten.

Der Aufklärer Rousseau entwickelte bereits 1762 in seiner staatstheoretischen Schrift Contrat Social (Gesellschaftsvertrag) die Idee einer Volkssouveränität, die mittlerweile als grundlegendes Prinzip der Legitimation politischer Herrschaft angesehen werden kann. (Souverän: frz. Souverainete = höchste Staatsgewalt oder lat. Superanus / superioritas = frei übersetzt: über allen anderen Institutionen stehend)

Danach ist das Volk Träger der höchsten Staatsgewalt und steht damit als einziges Organ über den anderen Verfassungsorganen. Stellen sich hingegen Institutionen über das Volk, über den Souverän, so ist dies unvermeidlicher Ausdruck einer Willkürherrschaft. Nach Rousseau, aber auch nach gesundem Menschenverstand haben alle Organe zu schweigen, wenn der Souverän selbst spricht. Diese Festlegung ist selbstevident, weil es nur in einem Akt der Willkür möglich ist, sich über die Gemeinschaft, über die Stimme des Volkes zu stellen. Das Prinzip der Volkssouveränität legitimiert sich selbst, weil es nur durch Gewalt verdrängt werden kann. Es eröffnet wie keine andere Herrschaftsform die Möglichkeit, dass sich der Schwächere wie der Stärkere in Selbstbestimmung entfalten können und dass gleichsam das Allgemeinwohl Ziel des Handelns ist.  Aus diesem Prinzip ergeben sich zwingende Folgerungen.

2. Zwingende Folgerungen
a. Es muss eine Verfassung geben, die, wie auch immer entstanden, vom Volk verstanden, akzeptiert und getragen wird, der das Volk zugestimmt hat.

b. Das Volk unterwirft sich seiner Verfassung und begründet dadurch Rechtsstaatlichkeit. Es muss die Möglichkeit haben, die Verfassung zu ändern, sofern dies nötig erscheint, weil das Demokratieprinzip eine lebendige, sich selbst bestimmende, sich weiter entwickelnde Gemeinschaft hervorbringt. So, wie es auch z.B. in der Schweizer Verfassung verankert ist.

c. Entscheidungen können direkt getroffen werden, etwa durch Volksabstimmung, und durch gewählte Repräsentanten. Diese Möglichkeiten stehen nicht im Widerspruch zueinander.

d. Gewählte Repräsentanten sind dem Souverän Untergebene. Sie führen die ihnen zugewiesenen Aufgaben auf Zeit durch und können nötigenfalls durch den Souverän ihres Amtes enthoben werden. In keinem Fall können sie die ihnen übertragene Macht an Dritte nicht rückholbar weitergeben oder durch ihr Handeln die Entscheidungsmöglichkeit durch den Souverän schmälern.

e. Verfassungsänderungen, die die Souveränität schmälern, können nur vom Souverän selbst verantwortet und entschieden werden.

f. Demokratische Machtausübung durch Repräsentanten setzt voraus, dass diese in fairen und freien Wahlen gewählt wurden, dass Chancengleicheit für die Bewerber bestand und dass die Repräsentanten ihr Handeln sowie Entscheidungsgrundlagen öffentlich und transparent zugänglich machen, da ansonsten ihr Handeln nicht überprüfbar ist.

g. Das Demokratieprinzip umfasst alle Bürgerinnen und Bürger. Eine Selektion nach Herkunft, Glauben oder Ideologie, wie es einige gerne hätten, ist nicht möglich.

h. Nur das Wählen von Parteien oder Repräsentanten begründet noch keine Demokratie, auch wenn uns die Lehrbücher Gegenteiliges glauben machen wollen. Wenn grundlegende Demokratie-Prinzipien keine Anwendung finden, wird die vereinbarte Herrschaftsform zwangsläufig in Willkür, Unterdrückung und letztlich in Gewalt ausarten.

i. Völkerrechtliche Verträge, wie z.B. die Charta der Menschenrechte, müssen in einer Weise vereinbart werden, dass einer Institution keine über die Vereinbarung hinausgehenden Rechte oder Befugnisse eingeräumt werden.

j. In einer Demokratie muss das Recht auf die Letztentscheidung beim Volk liegen. Nur so kann dem Prinzip einer vom Volk getragenen Staatsgewalt entsprochen werden.

3. Fazit, bezogen auf Deutschland
Die Machtausübung durch Repräsentanten / Parteien, ohne Entscheidungsmacht des Souveräns, hat die generelle Tendenz einer – unzulässigen – Verflechtung zwischen Wirtschaft und Politik. Die Rechtssetzung in Deutschland wurde solchen Verflechtungen zunehmend dienstbar gemacht und hat sich gleichermaßen von einer Allgemeinwohl-Orientierung entfernt.  Eine öffentliche Erörterung dieses Konflikts wird i.d.R. von Repräsentanten vermieden, weil dadurch ihre Macht geschmälert würde. Das deutsche Grundgesetzt entspricht in seiner Urfassung von 1949 zwar weitgehend demokratischen Prinzipien, auch wenn es bis heute nicht vom Volk direkt bestätigt wurde, (!) ist aber, was die Entscheidungsmacht des Souveräns anbelangt, unpräzise (Artikel 20.2.) und wurde seit seiner Entstehung durch zahlreiche Änderungen aufgeweicht. Vorläufiger Höhepunkt ist die -nach obigen Grundsätzen- nicht legitimierte, umsturzartige verfassungswidrige und verschleierte Souveränitätsübertragung an EU-Organe, ein exemplarisch maximaler Sündenfall, festgeschrieben u.a. im Artikel 23 GG.

Damit hat Deutschland seine Rechtsstaatlichkeit und demokratische Verfasstheit weitestgehend verloren. So wird z.B. die Richterschaft auf Deutsches Recht vereidigt, soll sich aber der Rechtsprechung des EuGH unterwerfen. Parlamentarier haben auf die über dem nationalen Recht stehende Europäische Rechtssetzung kaum Einfluss. Deutschland ist auch kein Bundesstaat mehr, weil Bund und Länder ihre existenzielle Staatlichkeit verloren und einer globalen, von wirtschaftlichen Interessen geleiteten Verwertungslogik geopfert haben.
Die Bestandsgarantie, die „Ewigkeitsklausel“, wie sie etwa in Artikel 79.3 GG festgeschrieben ist, wurde missachtet, was einer höchstmöglichen Verletzung gleichkommt. Das Deutsche Grundgesetz fordert in einem solchen Fall in Artikel 20.4 den Souverän auf: „ Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist“.

Im Ergebnis ist festzustellen, dass durch Souveränitätsverlust eine nur noch sehr beschränkte Legitimation staatlichen Handelns vorliegt. Als Konsequenz muss alles unternommen werden, um eine wie im Grundgesetz geforderte Souveränität wieder herzustellen. Darüber hinaus wird es unerlässlich sein, eine Letztentscheidungsmacht des Souveräns grundsätzlich einzufordern und durchzusetzen. Losgelöst von Grundgesetz oder Verfassung müssen die Prinzipien, die eine Demokratie begründen, immer wieder vom Souverän überprüft, eingefordert und, da es sonst keiner tut, vom Souverän durchgesetzt werden.

Stuttgart 21, demokratisch legitimiert ?

Soweit erst einmal Jens Loewe mit einer Frage, die jetzt noch im Raum steht. Es würde den Rahmen dieses Artikels sprengen, wenn wir jetzt alle Punkte (12 Seiten) aufführen würden, die zeigen, was das bisher geschriebene mit Stuttgart-21 zu tun hat. Wer aber bis hierher alles aufmerksam gelesen hat, der möchte sicher unbedingt wissen, wieweit es dort Manipulationen gab oder noch gibt, und auch Verflechtungen, welche als Vettern-Wirtschaft den Steuerzahler Millionen kosten, den anderen Herrschaften der Politik und der Wirtschaft aber Millionen bringen. Wir haben auf unserem Server das Dokument im pdf-Format gespeichert. Es beinhaltet nochmal das oben Geschriebene und einige … Sensationen. Halten Sie sich gut fest, wenn Sie zu lesen beginnen.

> PDF zum Download <

4 Antworten

  1. […] Dazu muss und möchte ich heute nicht mehr viel schreiben, da mein Freund und Kollege Moltaweto am 4. September eine Empfehlung veröffentlicht hatte (Stuttgart 21 – Demokratisch legitimiert? von Jens Loewe). […]

  2. […] Wie ich schon in meinen Artikeln vom 04.10. und 07.10. berichtet habe und auch auf die Seiten von Moltaweto aufmerksam machte, gibt es vielerlei Gründe, weshalb vernünftig denkende Menschen diesen […]

  3. Danke für diese wichtige Information.
    S 21 demokratisch legitimiert? hinterfrage ich seit geraumer Zeit. Diese Recherchen helfen weiter! und ich leite sie auch weiter. Herzlich I.M.

  4. mein Diskussionsbeitrag:
    Forderungen aufgrund der Schlichtungsgespräche:
    Demokratie statt Diktatur!
    Kein weiteres Schaffen von Tatsachen bei dem demokratisch nicht legitimierten Projekt S21!
    Vergabestopp und Baustopp sofort !
    Durchführen eines BürgerInnenentscheids bzw. einer Volksbefragung der Stadt Stuttgart über K21 Bahnhof/S21 Bahnhof
    Durchführung eines Volksentscheids in Baden-Württemberg mit öffentlicher Mediations- Begleitung – ähnlich Schlichtungsgespräche
    Planung von K21, das bessere Verkehrsprojekt, um belastbare Zahlen im Vergleich zu S21 zu bekommen
    Die Schlichtungsgespräche zwischen Befürwortern des S21 und des K21 Konzepts , das bessere Verkehrsprojekt, haben gezeigt, dass das Projekt S21 nicht demokratisch legitimiert ist und deshalb sofort gestoppt werden muss
    – Bei den Entscheidungen für die Planung von S21 lagen nicht alle wichtigen Daten vor, um sich ein reelles Bild machen zu können. Wichtige Gutachten wurden den Entscheidungsträgern vorenthalten – bewusst oder unbewusst,
    – Falschdarstellungen und Halbwahrheiten bei der Kostensteigerung oder Wirtschaftlichkeitsberechnung wurden deutlich und neue Zahlen wurden nicht in die Berechnungen mit aufgenommen, als nicht existent oder als unwichtig betrachtet, z.B. die Untersuchungen und Gutachten für die Gefährdung des Mineralwassers, die Gefahr des Aufquellens des Anhydrit- Gesteins und der gigantische Ausstoß des klimaveränderten C02-Gases beim S21-Projekt,
    – Entscheidungsträger von S21-Befürwortern sitzen in Gremien von Firmen, die an der Gestaltung von S21 beteiligt sind und damit ein wirtschaftliches Interesse für eine Verwirklichung haben. Diese Menschen sind befangen und sie hätten sich bei den Abstimmungen nicht beteiligen dürfen,
    – Das von den Stuttgartern BürgerInnen und von den Umweltverbänden geforderte K21 Konzept, das bessere Verkehrsprojekt, wurde von Anfang an von der Stadt Stuttgart und der Deutschen Bahn nie ernsthaft geprüft und entwickelt,
    – Der von den BürgerInnen der Stadt Stuttgart geforderte und vom Oberbürgermeister Schuster zugesagte Bürgerentscheid wurde von der Stadt Stuttgart mit Tricks unmöglich gemacht. Damit wurde ein in der Landesverfassung von Baden-Württemberg festgeschriebenes Mitbeteiligungsrecht den BürgerInnen der Stadt Stuttgart bewusst genommen.
    Somit ist das S21 Projekts demokratisch nicht legitimiert und muss deshalb sofort gestoppt werden. Die Schaffung weiterer vollendeter Tatsachen durch die Betreiber zu Lasten der Allgemeinheit lassen Zweifel am selbst eingestandenen Lernprozess zu. Die Konsequenzen sollen erst bei zukünftigen Projekten gezogen werden. Statt sich den zum Teil neuen Tatsachen zu stellen, die bei den Schlichtungsgesprächen für die Entscheidungsträger und für die Bevölkerung aufgezeigt wurden, verhalten sich S21 Befürworter, als hätte es diese Schlichtungsgespräche nicht gegeben. Obwohl in der Schlichtung Mängel eingeräumt werden mussten, werden jetzt wieder Glaubenssätze anstelle von ermittelten Fakten geäußert: S 21 wird den Stresstest bestehen (30 % mehr in Spitzenzeiten als der jetzige K21)
    Dieses Verhalten, das sich gegen die Grundregeln der Demokratie wendet, muss als diktatorisch bezeichnet werden. Damit sind die Widerstandsaktionen in Form von Demonstrationen und von physisch und psychisch gewaltfreien Aktionen mit massenhafter Beteiligung der BürgerInnen gegen die weitere Vergabe von Aufträgen und dem Weiterbauf von S21 für die Sicherung demokratischer Beteiligung notwendig und legitim.

    Um diese Forderungen durch zu setzen brauchen wir:

    Demonstrationen und gewaltfreie Widerstandsaktionen mit massenhafter Beteiligung der BürgerInnen

    Karl Braig, Calw, 1.12.2010 eebraig@web.de

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